Wegen sexueller Handlungen unter Männern, Paragraf 175 des deutschen Strafgesetzbuches, kommt Hans Hoffmann (Franz Rogowski) ins Gefängnis. Es ist nicht das erste Mal, und sein Zellengenosse heisst ihn fast beiläufig willkommen zurück. Die Zelle teilt er mit Viktor (Georg Friedrich) - einem Mörder. Kennengelernt haben sich die beiden Männer 1945, als Hans in die Haftanstalt überstellt wurde, direkt vom Konzentrationslager der Nazis. Damals drohte Viktor, den "Perversen" umzubringen, sollte dieser ihn anfassen. In der Enge der Zelle, über die Jahrzehnte, wächst der gegenseitige Respekt. Viktor darf Hans die auf den Unterarm tätowierte KZ-Nummer überstechen. Ende der Sechzigerjahre titelt der "Spiegel": "§ 175: Das Gesetz fällt - Bleibt die Ächtung?". Mit dem Magazin in der Hand konstatiert Hans konsterniert: "Ich bin jetzt legal." Aber wird er seine "grosse Freiheit" überhaupt noch finden? Paragraf 175 wurde in Deutschland 1872 eingeführt, 1969 grösstenteils und 1994 vollständig abgeschafft - nach über 120 Jahren. In seinem Jahrzehnte übergreifenden Gefängnisdrama breitet der Österreicher Sebastian Meise ein Einzelschicksal aus und macht das an den Verurteilten verursachte Leid emotional erfahrbar. Dabei sind die stillen, kleinen Momente die stärksten dieses Filmes, und auch ohne ausufernde Dialogpassagen ist dieses bemerkenswert subtile Drama bis zu seinem pointierten Schluss aussagekräftig. Dabei beeindruckt nicht zuletzt Franz Rogowski, einer der talentiertesten und gesuchtesten Schauspieler Deutschlands, hier mit seiner vielleicht eindrücklichsten schauspielerischen Leistung. Ihm zur Seite steht kongenial der seit Ulrich Seidls "Hundstage" (2001) weltbekannte markige Österreicher Georg Friedrich. SRF zeigt "Grosse Freiheit" als Begleitprogramm zur Verleihung des Europäischen Filmpreises, der am 7. Dezember 2024 in Luzern verliehen wird. Der Film von Sebastian Meise war 2021 für vier Preise nominiert und siegreich in den Kategorien Kamera sowie Filmmusik.